@article{oai:glim-re.repo.nii.ac.jp:00003147, author = {小林, 和貴子 and Kobayashi, Wakiko}, issue = {17}, journal = {学習院大学ドイツ文学会研究論集, Germanistische Beiträge der Gakushuin Universität}, month = {Mar}, note = {application/pdf, Wenn die Umwandlung der Leseverhältnisse um 1800 vom kollektiven Lesen (Vorlesen) ins individuelle,stille Lesen sich durch den Verlust der Stimme charakterisieren lässt,so lenkt dies die Aufmerksamkeit auf den Reichtum an akustischen Elementen in den Erzählungen der Schriftsteller der Romantik. Dazu zählt Der Sandmann (1816) von E.T.A. Hoffmann,der durch die Konzentration auf das Motiv des Auges zwar vor allem die Sehkraft,aber doch auch das Gehör und andere Sinne einbezieht. Die Qualität der auditiven Welt im prosaischen,einer schweigsamen Lektüre angemessenen Text und ihre Bedeutung gilt es in diesem Aufsatz zu analysieren,um Einsichten in die Disposition der Sinne in der damaligen Zeit zu gewinnen. Die Rekonstruktion der auditiven Welt des Textes zeigt zunächst die ontologische Bedeutung von Tönen. Den Grund für die Überzeugung,dass die gräßliche Märchengestalt des Sandmanns tatsächlich existiere,liefert Nathanael nichts anderes als die Geräusche,die der Sandmann etwa beim Hinaufsteigen der Treppe sowie durch das Aufreißen der Stubentür macht. Bemerkenswert ist dabei Nathanaels Rezeptionshaltung,die nämlich darin besteht,dass das Hören zum Sehen wird: Ohne den Sandmann je gesehen zu haben und nur durch das Gehörte motiviert,fängt Nathanael an,sich seine Gestalt in allerlei möglichen Formen vorzustellen. Diese imaginierten Bilder als Hörbilder beeinflussen den schlechten Eindruck,den Coppelius auf Nathanael macht,seit seiner nächtlichen "Lauscherei",bei der der Sandmann sich als der alte Advokat erweist. Das Motiv des Sehens durch das Hören tritt dann erneut nach der Begegnung Nathanaels mit Olimpia in einer veränderten Form auf. Er findet in ihr eine ideale Zuhörerin,die ihm "mit starrem Blick" ins Auge sieht,"ohne sich zu rücken und zu bewegen",während er ihr seine Dichtungen stundenlang vorliest. Das Sehvermögen im Übrigen für das Leben bzw. den Tod,etwa wenn Olimpias Blick von Nathanaels Freund Siegmund "ohne Lebensstrahl" bezeichnet wird. Im Text geht es also um das Sehen,das dem Leben gleichzusetzen und zugleich das Hören wäre. Ein so verstandenes Sehen überlappt die Rede über die Erzählung auf der Meta-Ebene im Text; dies ist allerdings nur zu verständlich,denn das Auge stellt gerade das wichtigste Organ für das stille Lesen dar. Bei der Überlegung zu medialen Bedingungen von Literatur stellt der Erzähler fest,dass die Rede beim Versuch einer Erzählung durch das Erfinden von inneren Gestalten in "dunkle Seufzer" zerfließt. Diese Rede wird zum Stottern und Stammeln. Der Dichter kann nicht "das wirkliche Leben" selbst erzählen,sondern kann es "doch nur wie in eines matt geschliffenen Spiegels dunklem Widerschein" auffassen. Der Gedanke,dass hinter einer sprachlich konstruierten Welt noch eine andere als "wirkliche" existiere,die durch Seufzer nur angedeutet werde,entstand,1aut Friedrich Kittler,im Aufschreibesystem um 1800,in dem die Sprache als Zeichen für den dahinter vorausgesetzten Geist bzw. Signifikat Gegenstand für die Interpretation wurde. Von Bedeutung ist seine These,dass dies durch die "mütterliche Alphabetisierung" zustande gekommen sei. Durch mütterliche Münder seien die Schriften Zeichen für die Lautierung worden. Ihm zufolge sei das Wort mit dem begrifflich vorgestellten Laut verbunden worden. Die Töne im Sandmann lassen sich als solche begriffliche verstehen,die keine materielle Klangqualität haben. Sie tragen zugleich die Wahrheit im Text. So ist es Nathanael,sein tödliches Verhängnis vorwegnehmend,als halle "ein tiefer Todesseufzer" durch das Zimmer,gleich nachdem er Coppola ein kleines Perspektiv abgekauft hat. Zur Aufdeckung der wahren Gestalt von Coppola als Sandmann-Coppelius wird er ebenso durch Töne veranlasst: Er hört auf dem Flur die Stimmen von Coppelius und Spalanzani und sieht im Zimmer Coppola und den Professor. Fragt man nach dem Grund des zweimaligen Wahnsinnigwerdens von Nathanael,so fällt der wiederholte Seufzer ("Ach!") der wortkargen Olimpia auf. Sein Verrücktwerden wird doch beide Male durch die Wahrnehmung der Holzpuppe veranlasst. Hat er vielleicht die in Olimpia verkörperte Wahrheit gesehen,für die keine Rede taugt? Wenn er sie gesehen hätte,liegt es nahe,dass er sie gehört hätte. Doch schweigt der Text über ihre Töne und trägt deren begrifflichen Sein Rechnung. Auf die Existenz solcher unhörbaren Töne wird nur hingewiesen: Die entscheidenden Wahnsinn-Szenen sind durch tierisches Gebrüll,Geschrei sowie Lachen charakterisiert,also durch Laute,die hörbar werden,wenn die Rede ins Stottern und Stammeln gerät. Berücksichtigt man die Töne als Begriff und Wahrheit im Text,die als solche nicht zu hören,doch dadurch entstanden sind,dass die Sprache mit Lauten verbunden wird,so bedeutet die Umwandlung der Leseverhältnisse um 1800 vom lauten ins stille Lesen zwar den Verlust der Stimme; doch andererseits geschieht vielmehr gerade dadurch ihre Verinnerlichung. Man las nicht mehr laut vor,sondern still im Innern,den Signifikat (sprich den Geist) hinter den Wörtern lesend,dessen Existenz durch den mit ihnen verbundenen Laut verbürgt wurde. Darin spiegelt sich die Disposition der Sinne in der damaligen Zeit wider,die mit dem Augesinn an der Spitze hierarchisch gegliedert war. Das Hören als auditives Sehen nahm dabei wohl den zweitwichtigsten Platz ein,das doch nun durch den Einfluss des Auges nicht unbedingt immer der Wahrnehmung der Realität diente.}, pages = {1--22}, title = {概念としての、真実の音 : E・T・A・ホフマン『砂男』における聴覚の世界}, year = {2013}, yomi = {コバヤシ, ワキコ} }